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SOJUS / GAIA - Die Supermission der ESA am 19.12. - Druckversion

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SOJUS / GAIA - Die Supermission der ESA am 19.12. - Rainer Blum - 15.12.2013

» GAIA – die Erdgöttin demnächst auf Sternenjagd

Es ist: Die Flaggmission der ESA,
Eine Mission der Superlative; Eine der teuersten und aufregendsten Missionen .

Sie soll Galaxien finden und einordnen und in einer Karte verzeichnen. >>>>>> Nun soll es endlich nach mehrmaliger Verschiebung soweit sein:

Der Start ist auf den 19. Dezember 2013 um 10:12 MEZ festgelegt mit dem Observatorium Gaia auf der Soyuz-STB mit der Fregat-MT- Oberstufe in Kourou (Franz.-Guayana)

Dazu der aktuelle ESA -Blog (an die Presse gerichtet) eingefügt: „ESA-Mission GAIA zur Kartierung unserer Galaxie startbereit“
Der Satellit GAIA der Europäischen Weltraumorganisation ist bereit für seinen Start, der am 19. Dezember um 10.12 Uhr MEZ erfolgen soll.
Das Ereignis wird live vom Europäischen Raumflughafen in Französisch-Guayana aus für Fernsehsender sowie im Internet übertragen und kann auf verschiedenen Startveranstaltungen in Europa mitverfolgt werden.

Als Trägerrakete kommt eine von Arianespace betriebene Sojus zum Einsatz. Mit einer Erfolgsmeldung wird etwa anderthalb Stunden nach dem Start gerechnet, wenn GAIA ihren Sonnenschild ausgefaltet hat.


Im ESA TV
ESA TV wird gemeinsam mit Arianespace Fernsehsendern eine Live-Satellitenübertragung oder einen Live-Videostream des Starts zur Verfügung stellen. Einzelheiten auf: http://esatv.esa.int/Television.

Das ist ein ungewöhnlich hoher Öffentlichkeitsaufwand, der über den wissenschaftlichen Inhalt viel aussagt.

Nun die Vorgeschichte und der Missionsinhalt (kurz gefasst):

Am 22.09.2013 wird gepostet-„ Die ESA-Raumsonde Gaia hat gute Chancen auf einen - vielleicht sogar länger währenden - Spitzenplatz im Wettrennen um die meisten Superlative in der Weltraumforschung. In Kourou laufen derzeit die vorbereitenden Arbeiten zum Zusammenbau von Trägerrakete und Nutzlast“.
Wenn man eine Mission zur Himmelskartographie nach der griechischen Erdgöttin benennt, bedarf es schon einiger intellektueller Anstrengung, dies zu begründen. Selbst die ursprüngliche Bedeutung von „GAIA“ als Abkürzung für „Global Astrometric Interferometer for Astrophysics“ liefert wenig bis keine Bezüge zur Erde. Spätestens seit klar war, dass die vor Jahren angedachte optische Interferometertechnik an Bord nicht zum Zuge kommt, entfiel auch dieser Grund für die Namensgebung. Um keine Verwirrung zu stiften …, äh, besser: Um keine kostenträchtigen Kommunikationsmaßnahmen hervorzurufen, wollte man vom Namen dennoch nicht abrücken. Aus der Großschreibung „GAIA“, allgemein Indiz für eine Abkürzung, wurde das normal geschriebene Wort „Gaia“.
Es gibt dennoch keine Brücke zwischen Namen und Mission.

Doch Spaß beiseite. Wenn mit Gaia einige Exoplaneten zu finden sind, soll der Name durchaus gerechtfertigt sein.

Die Fähigkeit, feinste Taumelbewegungen eines Sterns zu registrieren und daraus auf Planeten mit zumindest Jupiter-Masse schließen zu können, ist Gaia ja mitgegeben.

Planetenjagd ist aber nicht Primäraufgabe, eher, wenn man so will, die Sternenjagd.

Zehnwöchige Startkampagne

Und ein weiteres Novum: Es ist mir keine Mission mit einem längeren Countdown bekannt. Selbst die 10 Wochen wurden inzwischen überschritten:

Gaia wurde am 23. August 2013 in einer Antonow 124 vom Hersteller Astrium SAS in Toulouse nach Französisch-Guayana überführt.
(Diese Maschine ist bekanntermaßen der größte, je in Serie gebaute Transporter).

Bereits vor längerer Zeit wurden in Toulouse Akustik- und Vibrationstests durchgeführt sowie die Dichtigkeit des Treibstoffsystems und das thermische Verhalten überprüft.
= >> Etwa ein Jahr vor dem geplanten Start hat das Observatorium Gaia in einer Testeinrichtung in Frankreich Tests überstanden, in denen überprüft wurde, ob die Sonde die extremen Temperaturen der Mission aushalten wird.
Die extrem sensible Sonde befindet sich in Kourou inzwischen in der auf (damals) zehn Wochen angesetzten engeren Startvorbereitungsphase.

Der charakteristische Sonnenschutz ist Hauptgrund für die ungewöhnlich lange Startkampagne. Sonde und Sonnenschutz wurden aus Platzgründen getrennt nach Kourou geliefert.
Letzte Tests der Stromversorgung liefen in der Woche ab 09. September. In der gleichen Woche begannen die Vorbereitungen zum Anbau des Sonnenschutzes.

Da der Sonnenschutz einen Durchmesser von 10 Metern hat, bedarf es einer Halle mit innen mindestens 12 Metern Seitenlänge, um genug Freiraum für den Schirm und das notwendige technische Equipment zu haben. Der aufwendige Faltmechanismus für den Schutz aus zwölf Lagen Folie ist zwar schon in Toulouse intensiv geprüft worden, man will bei diesem für die Mission essentiellen Bauteil aber keine Risiken eingehen und vertraut erst zufriedenstellenden Testergebnissen vor Ort in Kourou.

Nach Abschluss der Sonnenschutztests wird Gaia in einem klimatisierten, mobilen Reinraum-Container in das Gebäude S5B transportiert. Dort erfolgt nach Betankung und Druckbeaufschlagung das Aufsetzen der Sonde auf den Oberstufen-Adapter.
Sonde mit Adapter werden sodann in das Gebäude S3B gefahren, wo der Zusammenbau mit der bereits betankten Fregat-MT-Oberstufe und die Einhausung mit der Nutzlastverkleidung erfolgt. Ab da ist die Sonde nicht mehr zugänglich und ihr Zustand nur noch visuell und über die elektrischen Verbindungskabel zu prüfen.

Vier Tage vor dem Start, also am 15. Dezember, werden Oberstufe und Nutzlast zum Startplatz gebracht, wo die vorgesehene Sojus-Rakete bereits unter einem mobilen, geschlossenen Montageturm wartet. Dort wird Gaia auf die dritte Stufe der Sojus aufgesetzt.

Mehr als nur Positionsmessungen
oder: Wie will man die unglaubliche Aufgabe realisieren?

Nach dem Start wird Gaia gut einen Monat später am Lagrange-Punkt 2 –vielleicht schon mal gehört?- ihre Arbeit aufnehmen. Dieser L2-Punkt liegt von der Sonne aus gesehen in der Verlängerung Sonne-Erde rund 1,5 Millionen Kilometer „hinter“ der Erde. An diesem Punkt heben sich die Zentrifugalkraft der um die Sonne kreisenden Sonde und die Anziehungskraft von Sonne plus Erde auf.
Der Gleichgewichtspunkt bietet, wegblickend von der Sonne, optimale Voraussetzungen für die Beobachtung des Universums. Gaia wird über fünf Jahre rund eine Milliarde Sterne der Milchstraße in einer nie da gewesenen Präzision messen. Damit sind zwar nur rund ein Prozent (!) der Milchstraßensterne erfasst, das reicht aber für einen Quantensprung in der Himmelskartographie.

Damit reicht es für etliche Superlative, vielleicht auch für einige Zeit für den Titel „Mission mit den meisten Superlativen“.

Neben Sternen sollen bislang unentdeckte Himmelskörper im Sonnensystem und an seinem Rand erfasst werden.

Man verspricht sich neben einem Schub bei der Entdeckung von Exoplaneten auch neue Erkenntnisse über Sterngeburten, Sternleichen, Supernovae, Quasare und Schwarze Löcher in den Zentren anderer Galaxien.

Ein genaues dreidimensionales Modell der Milchstraße und ihrer näheren Umgebung, in dem sich auch die zeitlichen Abläufe exakter als bisher nachvollziehen lassen, ist ein weiteres Ziel.

Antworten erhofft man sich auch auf andere Fragen, nicht zuletzt eignet sich die Messgenauigkeit für experimentelle Tests der Allgemeinen Relativitätstheorie.

Die Distanzen zu den Sternen wird Gaia mit Hilfe des Parallaxenverfahrens messen. Für rund 99 Prozent der gemessenen Sterne ist die Entfernung noch nie exakt ermittelt worden.
Neben der Entfernung werden Helligkeit, Temperatur, chemische Zusammensetzung und Masse ermittelt.

Jeder Stern wird in den fünf Jahren durchschnittlich 70 Mal analysiert. Um den gesamten Himmel zu erfassen, wird sich Gaia viermal am Tag um sich selbst drehen. Durch diese sich kontinuierlich verändernde Ausrichtung der Rotationsachse wird das Sichtfeld erweitert.

Die zylindrische Gaia hat einen Durchmesser und Bauhöhe von etwas über 3 Metern und ein Gewicht von 2.030 Kilogramm.
Die Nutzlast besteht aus zwei Teleskopen und drei wissenschaftlichen Instrumenten. Sie sind auf einem extrem verformungsresistenten Keramik-Träger aus Siliziumkarbid montiert.
In der Sonde legt ein Lichtstrahl durch Umlenkungen 35 Meter zurück, bevor er auf den Detektor trifft. Gegenüber dem menschlichen Auge können 400.000-mal lichtschwächere Objekte registriert werden.

Mit dem Astrometer wird auch die Distanz der nächsten Sterne mit einer bislang einzigartigen Genauigkeit von plus/minus 0,001 Prozent berechnet.

Der Sonnenschutz wird den astronomischen Instrumenten ständig Schatten bieten. Die Temperatur im Nutzlast-Modul wird damit nahezu konstant bei minus 110 Grad Celsius gehalten, Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit von Gaia.[/B] Brrrrr.

Weitere Links für den Interessenten zu Gaia kann ich gern mailen.

Dann seien wir gespannt auf das vorweihnachtliche Feuerwerk der ESA!
[SIZE=14]Und ein Gutes Gelingen für die nächsten 5 Jahre


1. Update

[B]START am 19. Dez. um 10:12 Uhr in Kourou ERFOLGREICH
Um 10:54:59 Uhr wurde Gaia erfolgreich ausgesetzt -

Glückwunsch an Russland zum erfolgreichen Start!

Um 11:55:17 Uhr wurde Gaias Sonnenschutzschirm erfolgreich entfaltet.
Der Vorgang begann 1 Std. 17 Min. nach Flugzeit und dauerte 10 Min.


Quellen: ESA-Bulletin 155, ESA-Gaia-Blog, Astrium, DLR, Raumcon, und Roland Fischer)