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Boris Tschertok starb im Alter von 99 Jahren - Rainer Blum - 14.12.2011 [ALIGN="center]Boris Tschertok – der Nestor der russischen Raumfahrt – starb im Alter von 99 Jahren[/ALIGN] Moskau,14. Dezember 2011 —Russlands Raumfahrt hat in schwerer Zeit einen noch schwereren Verlust zu beklagen. Ihr Patriarch Boris Tschertok,wie er ehrerbietig genannt wurde,ist in der Nacht zum Mittwoch im Alter von 99 Jahren gestorben,wie der Moskauer Raumfahrt-Onlinedienst “Nowosti kosmonawtiki”berichtet. Mit ihm verliert das Land nicht nur den letzten engen Mitstreiter und Stellvertreter des legendären Chefkonstrukteurs und “Vaters”der modernen sowjetischen Raumfahrt, Sergej Koroljow (1907-1966),sondern auch einen höchst wachen Geist und furchtlosen Kritiker der aktuellen russischen Raumfahrtpolitik . 1912 in Lodz (Polen) als Sohn eines Buchhalters geboren,verschlug es die Familie in den Wirren des Ersten Weltkriegs nach Moskau. Hier schloss Tschertok 1929 die Mittelschule ab,wurde aber wegen seiner “nichtproletarischen Herkunft”nicht zum Studium zugelassen. Er wurde Elektromonteur in einem Flugzeugwerk,fiel durch seine kommunistische Gesinnung und seinen Erfindergeist auf und absolvierte schließlich ein Abendstudium. Danach arbeitete er als Leitender Ingenieur für Spezialausrüstungen von Militärflugzeugen,für die er unter anderem eine automatische Bombenabwurfanlage konstruierte. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Tschertok nach Deutschland entsandt,um zusammen mit anderen sowjetischen Spezialisten die Nazi-Raketentechnik zu studieren und die Reste der V2-Produktion für den Abtransport in die Sowjetunion zu sichern. Hier lernte er auch Koroljow kennen,mit dem ihn fortan eine enge Zusammenarbeit verband. Nach der Rückkehr nach Moskau nahm Tschertok am Nachbau der Beute-V2,der russischen R-1-Rakete,und schließlich maßgeblich an der Entwicklung der elektrischen und Steuerungssysteme der nachfolgenden Raketentypen teil. Für seinen Beitrag zur Atomrakete R-5 und zur ersten interkontinentalen ballistischen Rakete R-7 wurde er mit dem Lenin-Preis und dem Ehrentitel “Held der sozialistischen Arbeit”ausgezeichnet. Bis heute tragen alle Raketen, künstlichen Erdsatelliten, bemannten Raumschiffe und Planetensonden der UdSSR aus dem Koroljowschen Konstruktionsbüro seine Handschrift. Tschertok war bis zu seinem Tod aktiv. In seinen letzten Jahren machte er sich große Sorgen um die russische Raumfahrt,die seiner Meinung nach nicht zielstrebig genug gefördert wurde und dadurch hinter den einstigen Erzrivalen USA zurückgefallen ist. Zum 50. Jahrestag des historischen Fluges seines Landsmanns Juri Gagarin als erster Mensch ins All vom 12. April 1961 meldete sich Tschertok mit dem kühnen Vorschlag zu Wort,Russland sollte sich doch in der Raumfahrt mit Indien und Kasachstan zusammentun,um künftig in einer tripolaren Kosmoswelt auf Augenhöhe mit den USA und China zusammenarbeiten zu können. Der Vorschlag blieb bisher ohne Echo. Als einer der verantwortlichen Konstrukteure des “Wostok”-Raumschiffs von Gagarin hielt Tschertok zu dessen Jubiläum auch selbstkritische Rückschau. Heute würde er nicht noch einmal mit seiner Unterschrift bestätigen,dass das Raumschiff sicher und startklar sei. “Wir sind damals ein großes Risiko eingegangen”,räumte er ein. Aber dieser Umstand sei dem Kalten Krieg geschuldet gewesen. Die Zukunft der russischen Raumfahrt.,die ausgerechnet im Gagarin-Jahr vor allem durch spektakuläre Fehlschläge von sich reden macht,sah der Altmeister auch nicht gerade rosig. Dem Land fehle es auf dem einstigen Vorzeigegebiet an einer “strategischen Perspektive”und einer “nationalen Idee”,die die Millionenmassen begeistert, schrieb er in dem Buch “Die Raumfahrt des XXI. Jahrhunderts –Versuch einer Entwicklungsprognose bis 2101″. Diese Forderung steht fortan als Vermächtnis des Verstorbenen im Raum. Liebe Freunde, dem Anlaß entsprechend übernahm ich diesen Artikel aktuell von Gerhard Kowalski(für dapd)ungekürzt. Ehre seinem Andenken Rainer Blum |