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(II) 2011- 50 Jahre bemannte russische Raumfahrt
#1
Eine Rezension

2011 - 50 Jahre bemannte russische Raumfahrt ( II )
Sputnik – der „Weggefährte“ * Zum 04. Oktober *

Liebe Freunde,
dieses Datum hatte ich in meinen Skizzen eigentlich gar nicht vorgesehen, doch dann ergaben sich auch diese Meilensteine.

Vorab möchte ich sagen, was journalistisch zu dem Datum kolportiert wurde und mir beim Schreiben ein Schmunzeln entlockte. Das ist so komisch, dass es sowieso keiner glaubt.

Der Kern:
Am 04. Oktober 1957 machte es erstmalig „piep-piep-piep“ aus dem All.
Egal wo wir waren, ich z.B. am 05.Oktober in der Lehrwerkstatt des Fernmeldeamtes in Dresden beim Feilen … - es horchten die Menschen auf und sie waren begeistert.
Zu Recht! Ein neues Zeitalter hatte förmlich begonnen.
Das aber, was justament hier passierte und die Welt aufhorchen lies, war wohl ursprünglich gar nicht vorgesehen – zumindest nicht für den Zeitpunkt (solche Ereignisse gibt mehr – später). Weil: Hier geht es um schnöde dumme Satelliten.
Satelliten waren für Chruschtschow zu der Zeit so etwas wie „Exponate von Ingenieuren zur Messe der Meister von Morgen“ ( meine Formulierung). Er brauchte die Nasenlänge Vorsprung vor den Amerikanern - aber mit harten Tatsachen. (Oder anders gesagt: Chruschtschow musste die einseitige Bedrohung durch die USA beenden).
Den Militärs, die das Programm fuhren, ging es also um „ihre“ Köpfe auf den Trägern. Nur hatten sie nach einem kürzlichen Misserfolg mit einem Imitations-Kernsprengkopf momentan eben diese Nutzlast nicht da. Da waren noch die Ingenieure dran.
Die erste eigentliche Interkontinentalrakete, Koroljows „R-7“ (Semjorka), war aber da und gerade eben ein Exemplar frei. Das passiert auch in der Planwirtschaft.
Was lag für Koroljow nun näher, als eben mal die „MMM“-Alukugel (die eigentlich auch noch nicht als „fertig“ geplant war und deswegen schon eine Zweite mit Totnutzlast drin gefertig war, draufzusetzen.
Koroljow nutzte die Gunst der Stunde! Mit diesem Erfolg „aus dem Nichts“ erschlug es im Nachhinein buchstäblich die gesamte Sowjetunion selbst.
Wir schreiben das Internationale Geophysikalische Jahr 1957. Die in Washington in der Botschaft zu einer Party weilenden sowjetischen Wissenschaftler nahmen die Glückwünsche Ihrer amerikanischen Kollegen „etwas verlegen“ entgegen …

Nun kann man dieser Darstellung aus heutiger Sicht durchaus nahe stehen …
Auf jeden Fall veränderte sich ab da etwas in den Köpfen der Nomenklatura, nämlich

-…Erst am 6. Oktober, als die Nachricht von Sputnik sich wie ein Steppenbrand durch die Gazetten der Welt gefressen hatte, erkennt Chruschtschow das propagandistische Potential des Coups, den Koroljow und seine Mannschaft gelandet haben.
- Soweit der Muntermacher für das Thema.

Nun aber zum ernsthaften Teil:
Um jedwede Färbung vom Datum zu nehmen, möchte ich für Euch space.huerz.ch,
einen Schweizer Software-Ingenieu
, zitieren. Er schreibt:
…Mit dem Nachtstart von Sputnik 1 am 5.Oktober 1957 begann nach sieben Jahrzehnten mittelbarer und direkter Vorbereitung die Raumfahrt als neue Ära der Wissenschaft, Technik, Industrie und Zivilisation.
…Der Start des Satelliten wurde danach auf den 4. Oktober festgesetzt. Am 5. Oktober 1957 um 0.28 Uhr Ortszeit hob die Rakete vom Kosmodrom Tjura Tam (heute Baikonur) ab.
Drei Wochen lang konnte man nun das Piep-Piep des Satelliten hören. Danach waren seine Batterien leer. Sputnik 1 blieb danach noch bis am 4. Januar 1958 im All, bevor er in der Erdatmosphäre verglühte
.
Sputnik 1 war 83.6kg schwer. Er bestand aus einer 2mm starken Aluminiumlegierung, aussen poliert, mit einem Durchmesser von 58cm. Die Kugel enthielt einen Radiosender, der alternierend 0.4s - Pulse auf den Frequenzen 20,002 und 40,005 MHz abstrahlte. Somit war es auch für Funkamateure möglich das Piep-Piep zu empfangen. Die Energie für den Sender lieferten 3 Silber-Zink Batterien welche eine Lebensdauer von ca. 3 Wochen hatten. Um die Temperatur im Innern zwischen 20° und 30° Celsius zu halten, hatte man ihn mit Stickstoff gefüllt und einen kleinen Ventilator sowie ein einfaches Regulationssystem installiert.
*
Die „International Astronautical Federation“ (IAF) veröffentlichte zum 50. Jahrestag 2007 dazu:
[Wegen der Beitragslänge gekürzt]

History changed on 4 October 1957, when the Soviet Union successfully launched Sputnik I. While the Sputnik launch was a single event, it marked the start of the Space Age and the space race between the USA and USSR. Sputnik was the first artificial satellite to be put into geocentric orbit. ...

Das Ereignis ist in der Weltwissenschaft fixiert!
Wir lesen oben auch ganz dünn etwas vom „Sputnik 1 shocked”. P.Hürzeler, der Schweizer, dazu lustigerweise:

„Der Sputnik-Schock bestand aber hauptsächlich darin, dass die UdSSR eine technologische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aufwies, die ihr vorher nie attestiert worden ist. Man stelle sich eine Horde Kosaken vor, die eine Rakete bauen, die die Erde verlassen kann. Ein Gedanke, der für viele Menschen in der westlichen Welt utopisch war. Dies wurde durch die Frequenz, auf welcher Sputnik 1 seine Signale sendete, noch verstärkt Die Funkverbindungen in der UdSSR wurde generell über Kurzwelle abgewickelt, da diese eine globale Kommunikation erlaubte. Dadurch war es aber auch externen Beobachtern möglich, relativ genaue Daten der sowjetischen Raumfahrt zu empfangen. Diese konnten von Funkamateuren relativ einfach abgehört werden. „

Nun, diesen Schock genossen wir doch gern, oder …? - Rainer.

Aber weiter:
Von den Menschen, die dahinter standen, soll Einer genannt sein – Professor Boris Tschertok.Tschertok – 1912 geboren – und unter deutschen Experten nicht ganz unumstritten, bleibt dennoch unbestritten als Raketen-Pionier einer der führenden „Gagarin-Macher“ neben Koroljow , der ewigen Nummer Eins. Und als einer der noch Lebenden der Koroljow-Aera.
Tschertok war Augenzeuge der sowjetischen Weltraumforschung seit 1944 bis heute.

Seine Quadrologie "Raketen und Menschen"
geben Einblicke in das bis dato streng geheime Entwicklungsvolumen der SU.

Die einzelnen Bände tragen folgende Untertitel:

1. Deutsche Raketen in Sowjethand, 494 S.; 25,60 EURO
2. Der Sieg Koroljows, 438 S.; 26,60 EURO
3. Heiße Tage des kalten Krieges, 550 S.; 31,20 EURO
4. Die Jagd um den Mond, 542 S.; 31,70 EURO
Die Bücher geben einen Gesamtüberblick über alle Phasen der sowjetischen Weltraumfahrt einschließlich der militärischen Entwicklungen .

B.E. Tschertok ist ein noch lebender Stellvertreter Koroljows, der Gagarin zum ersten Kosmonauten gemacht hat.

Für uns interessant ist, dass er im Auftrag Stalins im April 1945 mit dem Spezialauftrag nach Bleicherode in das Raketenforschungsinstitut geschickt wird, möglichst viele deutsche Spezialisten zu rekrutieren. Dort bleibt er bis 1947, um die Dokumentationen und Materialien sicherzustellen, abhanden gekommenes rekonstruieren zu lassen. Nebenbei gesagt, kommt er in Deutschland das erste mal mit Koroljow zusammen, der ihn dann später in das OKB nach Moskau holt.
Was auch keiner weiß ist, das Anfang 1946 bereits die ersten V2-Nachbauten in Bleicherode (Wernher von Brauns A-4 Projekt) wieder entstehen.
Der Boden aber hier zu sensibel ist und so wird das gesamte Material mit einer Auswahl aus 3000 Technikern in die SU, maßgeblich – Kapustin Jar – verbracht. Diese werden verpflichtet, für fünf Jahre dort und anderswo zu arbeiten.

Dazu gibt es eine Dokumentation:-Stalins deutsche Elite, Dokumentation von Dirk Pohlmann, Deutschland 2005, 52 Minuten
"Stalins deutsche Elite" ist ein Film über Hintergründe, Methoden und Ziele des größten "Know-How-Deals" im Kalten Krieg, um den sich bis in die Gegenwart zahllose Mythen und Legenden ranken.
Soweit der Rückblick mit dem Einblick zum Band 1 Raketen und Menschen.
In diesem Zusammenhang gab es ein treffendes Symposium:

Freitag, 3. Oktober 2003: Symposium für Raumfahrtgeschichte[B] - In diesem Symposium ging es um den Einfluss der deutschen Raketenentwicklungen auf die Raumfahrtgeschichte nach dem zweiten Weltkrieg,
in den USA, in der UdSSR, in Großbritannien, in Australien, und anderswo.
Unten: Der russische Raketenkonstrukteur Boris Tschertok sprach über den Einfluss deutscher Wissenschaftler auf die sowjet-russische Raumfahrtgeschichte.

Rechts: Der amerikanische Raumfahrthistoriker Frederick I. Ordway III. sprach über die deutschen Raketenwissenschaftler in den USA, von Fort Bliss und White Sands nach Huntsville, und signierte die Neuausgabe seines Buchs "The Rocket Team".
(leider keine Abbildungen hier)

Die IAF widmet Prof. Tschertok im Zusammenhang mit dem Sputnik-1-Beitrag 2007 ebenso eine Seite. (hier herausgenommen) Der Link dazu für den Interessenten: http://www.iafastro.net/?id=507

Prof. Boris Tschertok ist 98 Jahre alt.
Er publizierte 200 wissenschaftliche Arbeiten und ist heute noch bei der Raketenfirma „Energija“ als Chefberater tätig!
***

Das sollten meine Skizzen sein zum eigentlichen Auftakt der späteren Bemannten Russischen Raumfahrt.

18 Tage vor Juri Gagarin wurde die zehnte erfolgreiche Sputnik-Mission mit der R-7 gestartet, die heute noch –modifiziert- unverzichtbar ist.
(An Bord dieses Gagarin-Testfluges befand sich der Hund Swesdotschka (russisch für „kleiner Stern“) sowie der Kosmonauten-Dummy „Iwan Iwanowitsch“. Beide kehrten wohlbehalten auf die russische Erde zurück).

Wiederum Grund genug, sich zu erinnern? Tun wir es.

Liebe Freunde, weniger ging nicht, tut mir leid.

Vielleicht war es trotzdem interessant. Und wer will - Von allem kann man noch mehr lesen!

Herzlichst
Rainer
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