Berlin, 08. Februar 2001

Hintergrundinformationen zum Thema Radarstrahlen und Erkrankungen von Bundeswehrangehörigen

1. Wozu wird ein Radar überhaupt gebraucht?

Radarstrahlung ist eine Hochfrequenzstrahlung und wird im militärischen und zivilen Bereich u.a. zum Erkennen von Gegenständen, Gebäuden und Fahrzeugen, jedoch am häufigsten von Flugzeugen und Schiffen eingesetzt. Ohne diese Technik wäre u.a. der heutige Flugverkehr nicht möglich.

2. Sind Radarstrahlen gesundheitsschädlich und gefährlich?

Zwischen dem Auftreten bestimmter Gesundheitsschäden und einer Einwirkung elektromagnetischer Felder wird vielfach ein Zusammenhang behauptet. Wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse, die eine Ursächlichkeit von Radarstrahlungen und Krebserkrankungen belegen, sind allerdings noch nie erbracht worden.

Auch das Bundesamtes für Strahlenschutz bestätigte, daß ein Zusammenhang von elektromagnetischen Radar-Feldern und Krebserkrankungen international noch nie belegt wurde. Die beim Betrieb militärischer Radaranlagen auftretenden Strahlungen haben sich - bei Einhaltung der Vorschriften - als nicht belastend herausgestellt.

3. Welche Erkenntnisse hat die Bundeswehr über mögliche Gesundheitsgefährdungen beim Betrieb von Radaranlagen?

Eine medizinische Forschung hierzu gibt es seit Einführung dieser Technik im größeren Stil seit den 70er Jahren. Die bisher durchgeführten seriösen Studien und Forschungsarbeiten ergeben, daß als möglicherweise schädigender Faktor dieser Strahlung deren Wärmewirkung auf den menschlichen Körper in Frage kommt. Diese Wärmewirkung ist abhängig von der erzeugten Energie, die bei Kontakt in unmittelbarer Nähe zur Strahlenquelle hoch sein kann. Schutzmaßnahmen vor Hochfrequenzstrahlen haben daher zum Ziel, diese Strahlung so zu begrenzen, dass Grenzwerte unterschritten werden und eine schädigende Wirkung nach wissenschaftlichem Kenntnisstand nicht zu befürchten ist. Dies wird erreicht, indem Sicherheitsabstände und Schutzzonen für Radargeräte in system-/gerätebezogenen Vorschriften festgelegt wurden und werden, innerhalb der sich beim Betrieb der Geräte niemand aufhalten darf.

Gesicherte Erkenntnisse über die Induktion von zum Beispiel Leukämien liegen jedoch für ionisierende Strahlen (beispielsweise Röntgenstrahlung) vor. Diese Art von Strahlung wird in bestimmten elektronischen Bauteilen der Radargeräte als Nebeneffekt erzeugt und als sogenannte Störstrahlung oder Röntgenbremsstrahlung bezeichnet. Solchen ionisierenden Strahlen können im Einzelfall Radarmechaniker ausgesetzt gewesen sein.

Über diese mögliche erhöhte Strahlenemission waren bis Mitte der 70er Jahre weder im zivilen Bereich noch in der Bundeswehr nach heutigen Maßstäben ausreichende Informationen vorhanden. Erst die Durchführung von Messprogrammen, die 1975 im Zuge des Inkrafttretens der Röntgenverordnung von 1973 begannen, führten zu der Erkenntnis, dass weitere technische beziehungsweise personelle Schutzmaßnahmen unverzichtbar waren. Hierzu zählten hauptsächlich zusätzliche Abschirmungen und die Beschaffung notwendiger Messgerätetechnik. Mit den Herstellern der damals verwendeten Radargeräte wurden technische Möglichkeiten der Reduzierung von Röntgenstörstrahlung erprobt und entsprechende Schutzmaßnahmen mit Genehmigung des Bundesministeriums der Verteidigung seit 1977 durchgeführt.

Für die Zeiträume vor Abschluss der technischen Sicherheitsmaßnahmen war - abhängig von den Arbeitsplatzbedingungen wie beispielsweise genauer Aufenthaltsort, Abstand vom Gerät und Verweildauer des Beschäftigten im Strahlungsbereich - ein Überschreiten von Grenzwerten der Personendosis zum Beispiel bei Wartungsarbeiten am laufenden Gerät denkbar. Einzelne, im Bereich des technischen Arbeitsschutzes durchgeführte Abschätzungen zu einer möglichen Körperdosis haben dieses jedoch nicht allgemein für Beschäftigungen in diesem Bereich bestätigen können. Damit ist die pauschale Feststellung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen behaupteter Strahlenbelastung und diagnostizierter Erkrankung nicht möglich und muss im Einzelfall geprüft werden.

Die heutige Bewertung damaliger Verhaltensweisen und Schutzmaßnahmen ist sehr schwierig und vielleicht sogar ungerecht, da diese nunmehr mit neuesten, damals nicht vorliegenden Erkenntnissen und Maßstäben gemessen werden.

4. Welche Schutz- und Sicherheitsbestimmungen gibt es?

Die erste Röntgenverordnung, die auch für die Bundeswehr Gültigkeit hat, löste am 01.09.1973 eine Verordnung aus dem Jahre 1941 ab.

Darüber hinaus enthalten auch system-/ gerätebezogene Vorschriften zum Betrieb von Radargeräten Sicherheitsbestimmungen, die den Schutz vor Hochfrequenzstrahlen einschließen. Bei der Bundeswehr sind diese Bestimmungen in sog. Technischen Dienstvorschriften festgelegt.

Die Grenzwerte, die diesen Sicherheitsbestimmungen zugrunde lagen, waren anfangs amerikani-schen Ursprungs und flossen bereits 1958 in die Zentrale Dienstvorschrift 44/20 Bestimmungen für die Verhütung von Unfällen bei Arbeiten an Radargeräten ein. Im Jahre 1978 wurden Grenzwerte für Hochfrequenzstrahlung in der NATO eingeführt. In der Bundesrepublik Deutschland wurden solche Grenzwerte erstmals 1984 in einer DIN- Norm festgelegt, die seitdem auch von der Bundeswehr angewendet wird.

5 Welche Sicherheitsvorkehrungen hat die Bundeswehr in der Vergangenheit getroffen?

Die Bundeswehr hat stets durch ein Regel- und Verordnungswerk sowie umfangreiche Schutzmaßnahmen zur Vermeidung von Strahlenschäden dafür Sorge getragen, dass die jeweils gültigen Grenzwerte eingehalten werden. Neue Erkenntnisse haben im Laufe der Zeit durch technische Weiterentwicklung der Geräte zu neuen Grenzwerten und weitergehenden Schutzeinrichtungen geführt. Die Bundeswehr hat seit jeher durch technische und organisatorische Maßnahmen Vorsorge zur Einhaltung der jeweils aus dem zivilen Bereich übernommenen Grenzwerte zum Schutz von Personen vor Hochfrequenzstrahlen getroffen. Bereits 1975 führte die Wehrwissenschaftliche Dienststelle der Bundeswehr für ABC-Schutz erste Messungen an Radargeräten durch.Gleichzeitig wurde das an Radargeräten beschäftigte Personal regelmäßigen ärztlichen Kontrolluntersuchungen unterzogen. Hinweise auf strahleninduzierte Erkrankungen konnten zum damaligen Zeitpunkt nicht festgestellt werden.

1977 richtete die Bundeswehr zwei mobile Strahlenmessstellen ein, durch die die Luftverteidigungssysteme der Luftwaffe (HAWK, NIKE, PATRIOT) regelmäßig kontrolliert wurden.

6. Hat die Bundeswehr das mögliche Gefahrenpotential der Radaranlagen untersuchen lassen?

Die Bundeswehr ist als Betreiber von Radaranlagen nach § 3 (1) Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, getroffene Maßnahmen des Arbeitsschutzes/ der Arbeitssicherheit auf ihre Wirksamkeit hin zu untersuchen und ggf. anzupassen. Bei solchen Untersuchungen werden in erster Linie bestehende Schutzmaßnahmen auf ihre Wirksamkeit überprüft. Der Sanitätsdienst der Bundeswehr beauftragte die Universität Witten-Herdecke, das Zentrum für Elektropathologie/ Institut für Physiologie unter Leitung von Prof. Dr. med. Eduard David mit den entsprechenden Untersuchungen. Diese sind entgegen anderslautender Berichterstattungen in den Medien - noch nicht abgeschlossen. Deshalb ist das in der Öffentlichkeit bekannt gewordene Zwischenergebnis wissenschaftlich noch nicht verwertbar. Die in der Öffentlichkeit immer wieder herangezogenen Zahlen über erkrankte Radarmechaniker bei der Bundeswehr basieren auf ersten Untersuchungen und telefonischen Umfragen und Erhebungen anhand vorhandener Akten durch das Institut von Prof. Dr. med. David. Im Rahmen der Untersuchung wurden insgesamt 99 Radarmechaniker für die Jahre 1958 - 1994 erfasst, von denen 24 verstorben und 69 an Leukämie und anderen Krebsarten erkrankt sind. Es müssen aber weitere Personen untersucht und Vergleiche mit Daten aus anderen Bevölkerungsgruppen herangezogen werden. Die vorliegenden Ergebnisse sagen noch nichts darüber aus, ob Krebserkrankungen bei Radartechnikern der Bundeswehr häufiger vorkommen als bei Angehörigen anderer Berufsgruppen. Ein erster Vergleich mit der allgemeinen Krebsstatistik des Robert-Koch-Institutes (auf 100.000 20-45jährige kommen 100 Krebstote pro Jahr) würde bei der Bundeswehr zu einer statistischen Größe von 500 Krebstoten seit Mitte der 70 er Jahre führen.

Mit Abschluss der Studien wird im Jahre 2002 gerechnet. Die gewonnenen Daten werden dann weiter aufgearbeitet und in das künftige Berufskrebskataster der Bundeswehr aufgenommen.

Sollte sich aus den vorliegenden Erkenntnissen im Einzelfall die Notwendigkeit nachgehender Untersuchungen ergeben, werden diese von dort veranlasst.

7. Welche aktuellen Maßnahmen hat Verteidigungsminister Scharping ergriffen?

Ein von Bundesminister Scharping unter Leitung von Dr. Theo Sommer eingerichtete Arbeitsstab wird alle Fragen im Zusammenhang mit Radar aufklären und dabei sämtliche, im Bundesministerium der Verteidigung zugängliche Informationen und Unterlagen zusammenstellen und auswerten.

Seit 22. Januar ist beim Sanitätsamt der Bundeswehr eine telefonische Info-Hotline zum Thema "Mögliche Gesundheitsstörungen durch Strahlenwirkung beim Betrieb von Radargeräten eingerichtet ( 0 22 8 / 942 - 5000). Die Ansprechstelle ist rund um die Uhr besetzt. Fachkundige Ärzte und Techniker geben von montags bis donnerstags in der Zeit von 8.00 – 16.00 Uhr und freitags von 8.00 - 14.00 Uhr Auskunft zu Fragen des medizinischen und technischen Arbeitsschutzes und der Arbeitssicherheit bei Radargeräten.

8. Welche Möglichkeiten haben Bundeswehrangehörige, um Erkrankungen und Gesundheitsbeeinträchtigungen geltend zu machen?

Es ist sichergestellt, dass eventuell betroffene Beschäftigte und ihre Angehörigen durch die Bundeswehr bei der Klärung von Sachverhalten unterstützt werden. Eine Aufklärung spezifischer Expositionsbedingungen ist nur für den jeweiligen Einzelfall sinnvoll und erfolgversprechend. Aufgrund der weiterhin nicht geklärten Ursachen und Kausalzusammenhänge bestimmter Erkrankungen und der zu betrachtenden langen Zeiträume kann dies im Wege des Antrages auf Wehrdienstbeschädigung - WDB-Verfahren - der Anzeige einer Berufskrankheit oder entsprechender Regelungen des Bundesbeamtengesetzes erfolgen.. Die WDB-Anträge werden von den Wehrbereichsverwaltungen bearbeitet. Sofern zur Feststellung der Höhe der Strahlenexposition konkrete Messergebnisse fehlen, werden Berechnungen, z.B. einer Ersatzdosis, durchgeführt. Wenn sich daraus die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhang mit der Erkrankung des Betroffenen ergibt, wird eine WDB anerkannt. Darüber hinaus kann nach dem Soldatenversorgungsrecht, anders als nach dem Berufskrankenrecht im zivilen Bereich, die Anerkennung einer WDB auch dann erfolgen, wenn die erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache der festgestellten Erkrankung in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht (sog. Kann-Versorgung).

9. Hat die Bundeswehr Erkenntnisse darüber, wie viele Wehrdienstbeschädigungen bereits wegen Erkrankungen aufgrund von Radarstrahlungen anerkannt wurden?

Statistiken über die anerkannten bzw. abgelehnten WDB-Anträge, in denen Soldaten ihre Erkran-kung auf Strahlenexposition zurückführen, werden nicht geführt. Die WDB-Fälle werden lediglich mit der Zahl der Eingänge und Abschlüsse pro Jahr erfasst, ohne dass nach der Ursache der gel-tend gemachten gesundheitlichen Schädigung differenziert wird. Eine Überprüfung der aktuellen Zahlen für das Jahr 2000 hat ergeben, dass bei 9 von insgesamt 10.900 Anträgen die Antragsteller eine Erkrankung aufgrund von Strahlenbelastung geltend machen.

Es ist beabsichtigt, auf der Grundlage des Sozialgesetzbuches VII zukünftig ein Berufskrebskataster zu führen.

Soweit ermittelbar, wurden bei den zwei zuständigen Wehrbereichsverwaltungen bisher insgesamt 57 WDB- Verfahren im Zusammenhang mit einer möglichen Strahlenexposition eingeleitet. Von diesen wurden

+ in 7 Fällen Versorgungsansprüche abgelehnt, wovon 4 derzeit noch im Widerspruchsverfahren sind;

+ in 19 Fällen auf Verlangen der Soldaten vorsorglich WDB-Verfahren eingeleitet, obwohl bisher keine Gesundheitsstörungen vorliegen;

+ in 5 Fällen Versorgungsleistungen im Rahmen der sog. "Kann-Versorgung" gewährt;

+ in 26 Fällen dauern die Sachverhaltsermittlungen noch an.

Auf eventuell bei der Versorgungsverwaltung der Länder anhängige Versorgungsfälle besteht keine Zugriffsmöglichkeit.

10. Wie lange dauert ein WDB-Verfahren?

Die durchschnittliche Dauer eines normalen WDB-Verfahrens beträgt ca. ein Jahr. In Fällen, in denen die Antragsteller eine Schädigung durch Radarstrahlen geltend machen, wird diese durchschnittliche Dauer jedoch in der Regel überschritten. Das liegt daran, dass die Prüfung an streng definierte Voraussetzungen gebunden ist und damit umfangreiche und oftmals in sachlicher wie medizinischer Hinsicht schwierige Ermittlungen (u.a. Erstellen von Gutachten durch Außengutachter) verbunden sind. Die Ermittlungen müssen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles durchgeführt werden, so dass auch bereits bekannte gutachtliche Stellungnahmen in ähnlich gelagerten Fällen im Ergebnis keine Präzedenzfälle mit vereinfachtem Prüfverfahren darstellen und für einen Betroffenen keine schnellere Entscheidung erlauben.

11.Unter welchen rechtlichen Voraussetzungen wird eine WDB anerkannt?

Grundsätzlich liegt die objektive Beweislast auch in WDB-Verfahren beim Antragsteller. Zu seinen Gunsten gibt es jedoch etliche Beweiserleichterungen, die sich sowohl auf die Ermittlung des Sachverhaltes als auch auf die medizinische Bewertung beziehen. Zum einen ist die Bundeswehrverwaltung verpflichtet, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Zum anderen genügt für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer WDB die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs mit dem ermittelten schädigenden Ereignis. In Fällen, in denen die Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit über die Ursache des festgestellten Leidens besteht, kann bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die Gesundheitsstörung als Folge einer WDB anerkannt werden (sog. Kann-Versorgung). Davon wird soweit möglich Gebrauch gemacht.

Quelle :

http://www.luftwaffe.de/ Suche nach Stichwort : Radarstrahlung, gesucht am 10.08.2001

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