Rezension "Die Truppenluftabwehr der NVA"
Aufschlussreicher Beitrag zur DDR-Militärgeschichte
Herzblut, Schweiß und Raketen
Von Uwe Kraus
Eggesin, Pinnow, Altwarp, Stern-Buchholz oder Erfurt, die Orte gehörten zu den vielen Standorten, an denen Soldaten und Offiziere der Truppenluftabwehr der NVA dienten. Ihnen widmet ein Autorenkollektiv unter Leitung des langjährigen Chefs der Waffengattung. Generalleutnant a. D. Paul Kneiphoff, ein umfangreiches Buch. Es erschien dieser Tage unter dem leider sehr nüchternen Titel „Die Truppenluftabwehr der NVA“. Der Leser spürt, in diesem Buch schreiben Menschen, die aus erstklassigen Quellen und einem eigenen Erfahrungsschatz schöpfen können.
Diese Insider bestimmten in maßgeblichen Dienststellungen Ausbildung und Gefechtswert der Waffengattung mit. Den Autoren lag es am Herzen, einen durchaus offenen und kritischen Blick auf ihre Dienstzeit zu werfen. Neben technischen Details, die den Laien eher abschrecken, spielen die hohen Belastung des Armeeangehörigen durch überzogene Forderungen nach einer hohen Gefechtsbereitschaft, die nicht immer so waffenbrüderliche Zusammenarbeit mit der Sowjetarmee, aber auch die Strahlenbelastung eine Rolle. Neben exakter Darstellung der Waffentechnik von alten Wehrmachtsgeschützen bis hin zu den modernsten Raketensystemen im Diensthabenden System lebt der 452seitige Band von der Schilderung der realen Alltags in den Truppenteilen, aber auch beim Gefechtsschießen in der kasachischen Steppe bei Aschuluk, wo, so Karl-Heinz Otto „ein Quäntchen Herzblut und ein Gros Schweiß vergossen wurde“. Heinz Steingrüber erinnert sich an die Ankunft in Altwarp, gleichsam am Ende der Welt. Später entstand dort eine Infrastruktur, nach deren Zusammenbruch seit 1990 „die Region wieder in ihren früheren Zustand zurückkehrte, eine der perspektivlosesten Gegenden in Vorpommern.“ Gerade dem Fla-Raketenregiment 9 „Rudolph Dölling“ in Altwarp/Eggesin sind lesenswerte Abschnitte über die Truppen mit der roten Waffenfarbe gewidmet. Schließlich absolvierte das FRR-9 von 1980 bis 1989 sechs Gefechtsschießen in der damaligen Sowjetunion.
Entgegen der landläufigen Meinung vermochten die exakten Militärs durchaus lebendig zu schreiben. Das gelingt besonders dem Mitherausgeber Michael Brix, der neben dem klaren Abriss der Entwicklung der TLA so manche Geschichte hinter der offiziellen Militärgeschichtsschreibung niederschrieb. Gleiches gilt für Dietmar Gerber, der eine Verlegung per Bahn zum Fla-Raketenschießplatz schildert. Wobei sich mancher ehemalige NVA-Angehöriger fragen wird, wie es möglich war, derartig militärische Details als Tagebuch festzuhalten.
Das Buch richtet sich sowohl an ehemalige Angehörige der Waffengattung, die auf den zahlreichen Fotos ihre alte Technik oder Mitstreiter finden werden, sondern auch an militärhistorisch und -technisch Interessierte. Der Anhang verzeichnet wohl erstmalig eine umfassende Übersicht über die Truppenteile, Einheiten und Einrichtungen der TLA, deren Bewaffnung, Standorten und den Namen der Kommandeure auf den verschiedenen Ebenen. Bedauerlich dagegen ist neben kleineren Satzfehlern das Fehlen eines Orts-, Namens- und Technikverzeichnisses, das das Auffinden interessanter Informationen sehr erleichtert hätte.
Insgesamt ein lesenswertes Sachbuch, das eingebettet in die geschichtlichen Zusammenhänge das Innenleben einer eher geheimnisumwitterten Waffengattung der vergangenen anderen deutsche Armee bringt.
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